Einsatzübung „Menschenrettung aus PKW am Dach“

Datum: 24. August 2017

Teilnehmende Einsatzkräfte:
Freiwillige Feuerwehr Pellendorf, RLF 2000 [1:6]
Freiwillige Feuerwehr Zwölfaxing KRF-B [1:7]
Freiwillige Feuerwehr Lanzendorf RLF 2000 [1:5]
Rotes Kreuz Schwechat mit RTW 77/098 [1:3]
Rotes Kreuz Bruck an der Leitha RTW 53/004 [1:2]
Realistische Notfalldarstellung drei Darstellern, selbst geschminkt


Szenariendarstellung:
An einem heißen Sommertag kam es an der Landstraße zwischen Lanzendorf und Pellendorf zu einem folgenschweren Verkehrsunfall. Ein Fahrzeug mit drei Insassen kam ins Schleudern und landete im abschüssigen Straßengraben am Dach. Zuvor wurde die nicht angeschnallte Fahrerin durch das offene Fenster der Fahrertür geschleudert und landete hinter dem Windschutzgürtel, in welchem das Auto zu liegen kam, auf dem angrenzenden Acker. Die Fahrerin wurde entsprechend dem Unfallmechanismus als Polytrauma dargestellt. Sie ist bewusstlos aufgrund eines schweren Schädel-Hirn-Traumas. Die beiden anderen Insassen verblieben im Fahrzeug. Die Beifahrerin ist durch ihren Sitz eingeklemmt, mit ihrem Körper allerdings an der Windschutzscheibe liegend. Die zweite Insassin wird durch Beifahrersitz und hinterer Sitzbank bedrängt. Rund um die Unfallstelle liegen Frackteile des Unfallfahrzeuges. Von der Stoßstange, einem Reifen bis hin zu Kleinteilen. Durch die Wucht des Aufpralls riss außerdem ein Stromkabel eines Leitungsmasten, welcher erwischt wurde (Achtung, nicht besonders realistisch, aber ein wichtiges Lernfeld im Falle).

Bild 1: Szenariendarstellung, PKW am Dach, Hochspannungskabel darüber gelegt. Viele Fahrzeugteile liegen auf der Straße

Übungsablauf:
Ersteintreffende Einsatzorganisation ist die Feuerwehr Pellendorf. Der Einsatzleiter erkundet mit einem Feuerwehr-Ersthelfer die Einsatzstelle. Hierbei wird das Kabel übersehen. Der Feuerwehr Ersthelfer versucht Kontakt zu den Personen im PKW aufzunehmen, während sich der Einsatzleiter der Feuerwehr von der Stabilität und Sicherheit des Fahrzeuges überzeugt.

Bild 2: Kontaktaufnahme zu den Insassen. Das Kabel, welches auf dem Fahrzeug hängt wurde nicht beachtet

In der Zwischenzeit wird die Straße abgesichert und ein Geräteablageplatz aufbereitet. Die Befehle hierfür erfolgten bereits in Anfahrt. Obwohl der Fahrersitz leer ist und die Beifahrerin am Beifahrersitz eingeklemmt ist, wird die Fahrerin nicht gesucht. Auch hier erkennt man Lernfelder (Feedback). Die Türen sind sowohl verschlossen, als auch deformiert. Schließlich erkennt der Einsatzleiter das Kabel als solches und befielt seinem Kameraden zurück zum Ablageplatz. Er informiert die Alarmzentrale und wählt die Nummer zur Abschaltung am nächsten Masten. Der Betreiber informiert den Einsatzleiter, dass es sich um ein Telefonkabel handle und dieses bereits abgeschalten sei.

Bild 3: Die benachbarten Masten wurden gekennzeichnet. Der Einsatzleiter kontaktiert den Energiebetreiber telefonisch und informiert die Alarmzentrale

Nun trifft das Rüstlöschfahrzeug der benachbarten Feuerwehr ein. Der Gruppenkommandant meldet sich beim Einsatzleiter, dieser gibt den Befehl zum Brandschutz und dem Bereitstellen eines hydraulische Gerätesatzes. Aufgrund der Lage des Fahrzeuges und möglicher Durchtrennung der B-Säule entscheidet sich der Rettungstrupp in Absprache mit dem Einsatzleiter zur Stabilisierung mittels StabFast. Noch bevor das Fahrzeug endgültig gesichert ist, trifft der erste Rettungswagen, der RTW Schwechat 77/098, ein. Die Sanitäter machen sich ein Bild der Lage und bauen ihrerseits einen Ablageplatz vor.

Bild 4: Erste grobe Beurteilung durch einen Sanitäter vor Ort

Der Einsatzleiter entscheidet sich das Fahrzeug gleichzeitig an zwei Fronten zu öffnen. Einerseits soll die Beifahrertür und andererseits auch die Heckklappe des Kombi mittels hydraulischem Rettungsgerät geöffnet werden. Zur unkonventionellen Öffnung der Beifahrertür wird die hydraulische Schere verwendet. Da das Fahrzeug dachseitig stark deformiert ist und die B-Säule im weiteren Verlauf ohnehin zu entfernen ist, wird diese Strategie gewählt.

Bild 4: Öffnen der Beifahrertür durch die Durchtrennung der B-Säule. Dies mag nicht immer so funktionieren, kann aber auch Zeit sparen, sofern diese ohnehin weg soll

Noch bevor geschnitten wird, kann die Heckklappe geöffnet werden. Ein „Innerer Retter“ steigt ins Unfallfahrzeug und sichert die Patienten so gut als möglich. Erst das Feeback des Kameraden im Fahrzeug bringt die Vermutung auf, dass es noch eine verunfallte Person geben müsse. Diese wird nun gesucht und hinter dem Windschutzgürtel gefunden.

Bild 5: Das Eindringen des „Inneren Retters“ ist enorm wichtig für den Rettungstrupp und den Rettungsdienst. Einerseits kann er die Patientinnen betreuen, aber auch notwendiges Feedback zum Einsatz des Rettungsgerätes geben

Die dritte Feuerwehr trifft mit einem Kleinrüstfahrzeug ein. Sie wird gebeten auf Bereitschaft zu bleiben und den Brandschutz zu übernehmen. Der zweite Rettungswagen, der RTW aus Bruck an der Leitha 53/004, trifft ein und lässt sich durch den deklarierten Einsatzleiter Rettungsdienst unterweisen. Der Rettungsdienst-Einsatzleiter teilt dem neu eingetroffenen Rettungswagen die Patientin am Feld zu.

Bild 6: Eintreffen des zweiten Rettungswagen und Zuteilung durch den Einsatzleiter des Roten Kreuzes

Nach einem schnellen ABC-Schema durch die Sanitäter, wird eine HWS-Schiene angelegt und mit Hilfe der Feuerwehr die Patientin auf ein Spineboard gezogen und immobilisiert. Sie erhält nun hochdosiert Sauerstoff über eine entsprechende Maske. Der anwesende Notfallsanitäter NKV legt einen peripheren Venenzugang und es wird eine Infusion angelegt. Nun kann die Patientin zum Sammelplatz gebracht werden.

Bild 7: Die Patientin wird vom RTW Bruck an der Leitha versorgt und mit Hilfe der Feuerwehr Lanzendorf voll immobilisiert auf einem Spineboard zur Sammelstelle gebracht

In der Zwischenzeit konnte die Tür geöffnet werden. Die erste Patientin wird auf eine Schaufeltrage gezogen und aus dem Unfallfahrzeug gerettet. Unmittelbar nach der Rettung auf die Schaufeltrage erhält die Patientin eine HWS-Schiene, danach wird sie in einer vorbereiteten Vakuummatratze immobilisiert und erneut evaluiert.

Bild 8: Rettung der ersten Insassin durch den RTW Schwechat

Nun kann die zweite Person im Fahrzeug befreit werden. Sie wird auf ein Spineboard gezogen und ebenfalls zur Sammelstelle gebracht. Ihr Kopf wird nicht immobilisiert (Feedback).

Bild 9: Die zweite Insassin ist bereit gerettet zu werden. Ihr Hals wurde nur manuell stabilisiert. Der Stifneck ist auch am Bild, er schafft es aber bis zum Schluss leider nicht mehr auf den Hals der Patientin (Feedback)

Nachdem alle Patienten adäquat versorgt wurden, wird die Übung beendet. Noch vor dem Wegräumen folgt eine generelle Feedback-Runde mit beiden Einsatzorganisationen zusammen, danach wird das fachspezifische Feedback durch die einzelnen Einsatzorganisationen getrennt gegeben.

Was haben wir gelernt?

Bild 10 entstand als erst eine Feuerwehr und noch kein Rettungsdienst vor Ort waren. Das Fahrzeug wurde so aufgestellt, dass es als Schutz der Mannschaft steht. Der Geräteablageplatz steht allerdings so, dass auch Fahrtragen nur schwer vorbei kommen. Dies gilt es jedenfalls zu beachten. Natürlich muss der Rettunswagen nicht direkt vor das Unfallfahrzeug. Dies würde einen schnellen Abtransport verunmöglichen. Die Ausrüstung nach vor zu bringen ist allerdings essentiell wichtig und eine Verzögerung gilt es zu minimieren.

Bild 10: Platzmanagement

Bild 11 zeigt uns das leidige Thema der persönlichen Schutzausrüstung verfolgt uns auch ins Feedback dieser Übung. Bild 11 zeigt einen jungen Sanitäter ohne Ärmel. Die Schutzausrüstung des Roten Kreuz bietet keinen Schutz gegen Splitter oder Schnitte. Die abgenommenen Ärmel zerstören aber den letzt möglichen Schutz.

Bild 11: Risikobereich „Innerer Retter“

Bild 12 zeigt uns eine Figurantin, die ihre Aufgabe mitunter deswegen so gut macht, weil sie selbst Sanitäterin ist. Man sieht in den beiden unmittelbar aufeinander aufgenommenen Fotos wie die Patientin munter ihren Kopf bewegt. Ihr Hals wurde in der Hitze des Gefechts nicht bis zuletzt immobilisiert. Die angenommene Unfallmechanik und Bewusstseinstrübung der Patientin würde diese Maßnahme jedenfalls indizieren.

Bild 12: Die Figurantin bewegt ihren Kopf mehrmals. Dies wird nicht unterbunden, sie wird nicht immobilisiert

Anmerkungen zur Übung:
Das Feedback der Figurantinnen ist enorm wichtig. Seit Jahren ist es uns ein Anliegen dieses einzuholen. Oft vergessen wir, welch enorme Belastung ein schwerer Verkehrsunfall für eingeschlossene und eingeklemmte Personen ist. Das Feedback ist zudem interessant, wenn die Figurantinnen selbst Sanitäter sind. So können sie noch realistischer ihre Verletzungsmuster präsentieren. Bild 13 zeigt uns die Rettungsdienst- interne Feedback-Runde.

Bild 13: Feedback sollte jedenfalls auch von Figurantinnen und Figuranten eingeholt werden

Bild 14 zeigt die Deformation des Unfallfahrzeuges. Die Fahrgastzelle wurde absichtlich deutlich verkleinert um eine besondere Herausforderung zu bieten.

Bild 14: Das Unfallfahrzeug nach der Übung

Übungsleiter: Leopold Prendl, Stefan Kowatschek
(Freiwillige Feuerwehr Pellendorf)

Realistische Notfalldarstellung:
Rotes Kreuz Bruck an der Leitha

Fotos : Lisa Schuster, Leopold Hecht

Darsteller: Julia Tremel, Madlen Lesch, Maria Bittner

Herzlichen Dank an unsere tapferen Figurantinnen bei dieser Übung, die sich dieses Mal selbst aufbereitet haben.